Augenschmaus im Kunstmuseum: Der Zauber des Stilllebens
Auch die Kunst gehört nun mal zum Showgeschäft. Bekannte Namen und prickelnde Themen fördern die Quote. Im April wird das Publikum wieder Schlange stehen, wenn im Kunstpalast die Sonderschau um „Cranach. Meister – Marke – Moderne“ eröffnet wird. Was die Sammlung eines Museums alltäglich zu bieten hat, wird hingegen oft übersehen. Eine Kabinettausstellung mit dem Titel „Augenschmaus“ verweist jetzt auf 20 Stillleben des 17. bis 20. Jahrhunderts, die zum Düsseldorfer Gemäldeschatz gehören.
Im Mittelpunkt hängt auf sattroter Wand ein „Stillleben mit Fruchtkorb an einer Eiche“, um 1670 gemalt von Abraham Mignon (1640-1679), einem in Frankfurt geborenen Niederländer. Der junge Meister, der kein langes Leben hatte, reüssierte bei der feinen Kundschaft mit sogenannten Waldbodenstücken, das heißt, er arrangierte überreife Früchte und einen Weidenkorb nicht auf einem Tisch, sondern auf brauner Erde im Unterholz. Da schimmern sie und erzählen von Schönheit und Vergänglichkeit: Pfirsiche mit Tautropfen unter feucht glänzenden Trauben, eine fette grüne Melone, von Schnecken zerfressene Blätter, eine Fliege auf fauliger Birne, ein abgeknabberter Maiskolben, eine Raupe hier, ein Schmetterling da.
August der Starke wurde ganz schwach
Der sächsische Kurfürst August der Starke fand das Bild betörend, er kaufte es 1722 für seine Dresdner Sammlung, wo es über 200 Jahre lang blieb, bis das Werk im Zuge der „Fürstenabfindungen“ 1924 an den Familienverein Haus Wettin ging, der es wiederum an den Berliner Verleger Ludwig Traube verkaufte. Nach dessen Tod 1928 zog sich der Erbstreit hin, erst 1935 wurde die Villa Traube mitsamt dem Stillleben auf einer Auktion versteigert. Über die Düsseldorfer Galerie Paffrath gelangte Mignons Waldbodenstück damals in den Besitz des Kunstmuseums Düsseldorf, wo es zum beständigen Inventar gehörte – bis es 2015 zum Gegenstand eines Restitutionsverfahrens wurde.
Denn 1935, im Jahr der Versteigerung, waren die Nationalsozialisten an der Macht, und die Versteigerung von jüdischem Besitz hatte auf jeden Fall etwas Fragwürdiges. Experten kamen zwar zu dem Ergebnis, dass der Verkauf des Bildes und anderer Hinterlassenschaften des Verlegers Traube durch den jahrelangen Erbstreit bedingt und nicht durch das Regime erzwungen war. Aber die „Beratende Kommission für die Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter“ empfahl doch eine Ausgleichszahlung an die heutigen Erben. Stadt, Land und die Kulturstiftung der Länder brachten dafür immerhin 200 000 Euro auf.
Äpfel, Gladiolen und kuriose Gurken
Dafür darf Mignons Prachtwerk in Düsseldorf bleiben – und man sollte es zu würdigen wissen. Barocke Stillleben wie diese haben auch spätere Künstler beeindruckt. Kuratorin Bettina Baumgärtel ergänzt Beispiele aus der Epoche mit moderneren Bildern aus der Sammlung. Während die Naturalistin Magda Kröner 1904 mit ihrem „Stillleben mit Kirschen und Erdbeeren im geflochtenen Korb“ den alten Meistern nacheiferte, zeugt das „Stilleben mit Äpfeln“ von Carl Schuch 1889 von der Liebe des österreichischen Künstlers zum freien Strich der Franzosen im Allgemeinen und dem Stil Paul Cézannes im Besonderen. Lovis Corinth malte 1911 sein expressives „Grünes Stillleben mit Früchten und Gladiolen“. Ein originelles Motiv wählte Ernst te Peerdt (1852-1932), ein Absolvent der Düsseldorfer Malerschule, mit einem „Gurkenstillleben“, das seit 1917 zur Sammlung des Museums gehört. Man schaut, staunt – und möchte mehr sehen aus dieser ebenso zurückhaltenden wie faszinierenden Gattung der Malerei. Ganz alte und ganz neue Stillleben. Wie wäre es mit einer richtig großen Ausstellung?
Wann, wie lange und wohin
„Spot On: Augenschmaus mit Abraham Mignon – Stillleben des 17. bis 20. Jahrhunderts aus der Sammlung“. Bis 2. Juli im Museum Kunstpalast (Rheinseite), Ehrenhof. Di.-So. 11 bis 18 Uhr, Do. bis 21 Uhr. Eintritt: 5 Euro. www.smkp.de