Düsseldorfer Fotoausstellung bei reinraum e.V.: Die Mode ist echt, der Heroinsüchtige darin auch
Stücke vom Paradies, Pieces of Paradies? Die sind in diesem Fall aus blind gewordenem Glas. Durchblick wie durch einen Nebel. Wenn überhaupt. Und messerscharfe Kanten, an denen man sich jederzeit die Pulsadern aufschneiden kann. Hilfsweise die Halsschlagader des Gegenübers. Den „Heroin-Chic“ der 90er Jahre auf den Laufstegen und in der Fotografie der Mode hat Marc Oortman nachgestellt. Mit Düsseldorfer Heroin-Abhängigen. Die Ausstellung trägt den Untertitel „Pieces of Paradise“.
Ultradünn, kalkweiß und fette schwarze Augenringe – so stapfen teilweise noch heute die Models über die Laufstege. „Die Modeindustrie hat sich an einem Bild bedient, am Leben von Heroinabhängigen, ohne dass die jemals etwas davon hatten!“ Dieser Gedanke fuhr Marc Oortman durch den Kopf, als er an einem Spritzenautomaten in Düsseldorf vorbeikam und sah, wer da Schlange stand. Gleich darauf kam ihm die Idee, echte Junkies und Gucci und Prada zusammenzubringen.
Nur: Wie kriegt man Kontakt zu Heroinabhängigen? Einfach locker vorbeischlendern und zu sagen: „Hey, ich will Dich fotografieren, denn Du siehst echt scheiße aus!“ klingt nicht nach einem Erfolgsrezept. Marc Oortman fragte im Düsseldorfer Drogenkonsumraum und bei Fifty-Fifty um Hilfe. „Als wir davon gehört haben, haben wir sofort mitgemacht“, sagen Per und Sue (Namen geändert, d.Red.).
"Normalerweise machen alle einen Bogen um uns!"
Denn dabei wurden sie nicht übersehen, ausgegrenzt, in großem Bogen umgangen oder weggejagt. Plötzlich standen sie im Mittelpunkt. In einem Künstleratelier am Worringer Platz wurde geschminkt, gekämmt, getönt – opjebrasselt wie für jedes Modeshooting. Per staunte, Sue war ganz Frau: „Kenn ich doch. Wenn gut weggehen will, muss man sich auch zurechtmachen. Zwei bis drei Stunden dauerte die Prozedur – pro Model.
Es war schwer, einen Ausstellungsraum zu finden
Sechs großformatige Motive haben es in die Ausstellung geschafft. Umgeben von kleinen „Making off“ Bildern. Dafür einen Ausstellungsraum zu finden, war schwer. „Viele haben mir abgesagt, weil sie keinen Ärger wollten“, staunte Marc Oortman. Reinraum e.V. mit dem ehemaligen Toilette an der Aderstraße 30a, Ex-Drogenumschlagplatz, letzte Adresse für rollige Schwule, sagte zu. Es gibt nur wenige beklemmendere Orte, aber keinen passenderen. Bis zum 5. Februar sind die Bilder dort täglich von 19.30 Uhr bis 22 Uhr zu sehen. Zum Abschluss gibt es am 5. Februar ein Künstlergespräch. Eintritt frei.
Per und Sue übrigens verkünden stolz: Wir sind clean! Die Idee vom Entzug hatten sie schon vor dem Shooting. Danach haben sie es umgesetzt. Und wollen möglichst bald wegziehen aus Düsseldorf. Abstand gewinnen. Die meisten Freunde haben sie nach wie vor in der Szene. Das Bild von sich mit der Mode – das werden sie mitnehmen.