Düsseldorf: Notfallfonds für papierlose Menschen in akuten medizinischen Notlagen besteht seit einem Jahr
Obi kam am 1. Juni 2016 mit gerade mal 835 Gramm Geburtsgewicht zur Welt. Seine Mutter Mavis floh 2015 aus Ghana nach Deutschland, da sie dort als Oppositionelle verfolgt wurde. Ihr Aufenthalt in Deutschland war illegal und ihr war klar, dass der Gang zum Arzt sofort die Information des Ausländeramtes nach sich ziehen würde. Doch als sie schwanger wurde und sich Komplikationen einstellten, vermittelten Freunde sie an das Medinetz der Initiative STAY!. Ihr und dem Ungeborenen konnte geholfen werden und heute leben Mavis und ihr Sohn Obi legal in Düsseldorf.
Düsseldorf Vorreiter in NRW
Mavis und Obi sind Beispiele dafür, wie durch den Notfallfond für „papierlose“ Menschen in Düsseldorf eine medizinische Versorgung ermöglicht wird. Düsseldorf ist die erste Stadt in Deutschland, die sich um die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papiere und damit ohne Aufenthaltserlaubnis kümmert. Über die Clearingstelle der Initiative STAY! können die Betroffenen anonym ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen und so eine gesundheitliche Regelversorgung erhalten.
Gesundheitsversorgung für alle Menschen
Da die körperliche Unversehrtheit ein Menschenrecht ist, setzt sich STAY! schon seit acht Jahren dafür ein, Menschen ohne gültigen Aufenthaltsstatus zu helfen. Die Stadt Düsseldorf erkannte im vergangen Jahr als erste Stadt in Deutschland diese Notwendigkeit der Hilfe an und unterstützt STAY! mit 100.000 Euro pro Jahr und einer Planstelle. Damit setzt die Stadt ein deutliches politisches Signal der Akzeptanz.
Über das Medinetz von STAY! haben Menschen ohne Papiere die Möglichkeit einen Arzt anonym aufzusuchen. Würden sie in ein Krankenhaus oder zu einem Arzt gehen, wären die Mitarbeiter dort verpflichtet eine Meldung an die Ausländerbehörde zu machen. Daher ist die Hemmschwelle für einen Arztbesuch sehr groß und führt oft zu lebensbedrohlichen Situationen.
Bilanz nach einem Jahr
170 Hilfesuchende wendeten sich seit Gründung des Fonds am 1. Juli 2015 an die Clearingstelle von STAY!. Rund 70 Prozent von ihnen waren Frauen. Sie kamen aus Herkunftsländern wie Ghana, Serbien, Kosovo, Albanien, Mazedonien, Marokko, Tunesien, Nigeria oder Kamerun, die zum Teil als sichere Herkunftsländer eingestuft sind. Wenn sich Menschen aus der EU an die Clearingstelle wenden, werden sie an andere Beratungsstellen verwiesen. Hauptgründe der Kontaktaufnahme waren Schwangerschaften (35 Hilfesuchende), teilweise mit Komplikationen (4 Menschen), internistische, allgemeinmedizinische oder zahnärztliche Probleme, davon 9 Patienten mit der Notwendigkeit eines stationären Krankenhausaufenthaltes.
Die Mitarbeiter der Clearingstelle prüfen vor der medizinischen Behandlung, ob die Hilfsbedürftige Person seit mindestens sechs Monaten in Düsseldorf lebt und ob die Finanzierung der medizinischen Behandlung auf anderen Wegen finanziert werden kann. So wurde der Fonds der Stadt im ersten Jahr nicht komplett verbraucht. Den Mitarbeitern ist aber klar, dass ein komplizierter Fall diese Bilanz schnell ändern könnte.
Großes ehrenamtliches Engagement
Neben der finanziellen Unterstützung durch die Stadt funktioniert das Medinetz durch den ehrenamtlichen Einsatz vieler Ärzte. Dr. Siegfried Joel betont, dass dringend weitere Ärzte gesucht werden, die auch die Möglichkeit haben, ihre Leistungen über den Fonds abzurechnen. Gynäkologen, Chirurgen, Zahnärzte und Allgemeinmediziner werden noch als Kooperationspartner gesucht. Informationen und Kontaktdaten finden sie hier.