Düsseldorf Bilk: Warum blieb Doppelmord in der Karolingerstraße zunächst unentdeckt?
Der Gänsehaut-Moment am Doppelmord in der Karolingerstraße 85 ist der: Ohne einen Anruf der Polizei aus dem hessischen Gießen Ende Mai wäre der Fall in Düsseldorf als Familientragödie vermutlich längst zu den Akten gelegt worden. Gerichtsmedizin, Polizei und Staatsanwaltschaft in Düsseldorf waren augenscheinlich auf dem völlig falschen Dampfer.
7. Mai, 23.50 Uhr in der Volksbank an der Ecke Aachener Straße/Suitbertusstraße: eine vermummte Person hebt Geld vom Konto der Toten ab, Foto: Polizei Gießen
Seit Mittwoch (24.8.) machen vier hessische Beamte in Düsseldorf Bilk Detail-Arbeit. Mit Fahndungsplakaten ziehen sie von Laden zu Laden und fragen, ob sie die Plakate aufhängen dürfen. Anwohner bekommen verkleinerte Din A4-Zettel in die Briefkästen. In Gesprächen fragen die Beamten immer wieder nach der 34-Jährigen Frau, die als dringend Tatverdächtige in hessischer Untersuchungshaft sitzt. „Derzeit macht die Beschuldigte keine Angaben“, sagt der Leiter der Gießener Soko, Marcel Schäfer.
Der Leiter der Gießener Soko, Kriminalhauptkommissar Marcel Schäfer
Umso wichtiger ist es, die Indizienkette lückenlos zu schließen. Das Fahndungsplakat zeigt die Mercedes A-Klasse älteren Typs der Tatverdächtigen – Frage: Wer hat den dunkelblauen Kleinwagen rund um den 7. Mai in Düsseldorf, genauer: in Düsseldorf Bilk gesehen? Wer hat die Person gesehen, die am 7. Mai gegen 23.50 Uhr mit der EC-Karte der ermordeten 56-Jährigen aus der Karolingerstraße an einem Geldautomat in der Volksbank um die Ecke einen namhaften Betrag abgehoben hat? Das Überwachungsbild der Bank zeigt eine mit Tüchern bis auf einen Sehschlitz vermummte Person, die Handschuhe trägt. Ist sie jemandem aufgefallen?
Hauptkommissar Ralf Heinzmann hängte auch ein Fahndungsplakat vor dem Geldautomaten auf, an dem das Foto der Unbekannten in der Tatnacht entstand
Die Verbindung zwischen dem Mord an einem 79-Jährigen in der Nacht vom 2. auf den 3. April in Gießen und der Tat in Düsseldorf: Im Besitz der hessischen Tatverdächtigen befand sich die EC-Karte, die in der Düsseldorfer Mordnacht des 7. Mai von einer derzeit noch unbekannten Person benutzt wurde, um Geld abzuheben. Und die Polizei fand eine Schmuckschatulle, die aus der Düsseldorfer Wohnung stammt.
Ermittlungen müssen in einer Hand liegen
„Wir haben hier in Düsseldorf einige interessante Aussagen bekommen“, sagte Soko-Leiter Schäfer ohne ins Detail gehen zu wollen und können. Er und der zuständige Gießener Staatsanwalt Thomas Hauburger vermieden jede Wertung der Düsseldorfer Ermittlungen. „Es ist ja normal, dass die Ermittlungen bei einer mutmaßlichen Mordserie in einer Hand liegen müssen“, sagte Hauburger gegenüber report-D.
Genug Indizien für einen Haftbefehl
Warum die Düsseldorfer Staatanwaltschaft und die Ermittler den Doppelmord nicht erkannt haben, bleibt vorerst offen. Als die Erdgeschosswohnung in der Karolingerstraße 85 am 10. Mai von der Feuerwehr geöffnet wurde, waren die 86-Jährige Bewohnerin und ihre 58 Jahre alte Tochter schon mehrere Tage lang tot. Für die Polizei sah es so aus, als habe die jüngere Frau die ältere stranguliert und anschließend sich selbst umgebracht. Für die ermittelnde Gießener Soko gibt es eine Reihe von Übereinstimmungen zwischen den beiden Mordfällen: „Es waren jeweils ältere Personen betroffen, die durch stumpfe Gewalteinwirkung zu Tode kamen“, sagt Staatsanwalt Thomas Hauburger. Anfang August erließ das Amtsgericht Gießen einen erweiterten Haftbefehl gegen die Beschuldigte – auch wegen der Düsseldorfer Taten.
Karolingerstraße 85: Im Erdgeschoss lagen die beiden mutmaßlich ermordeten Frauen. Derzeit wird die Wohnung renoviert