In Düsseldorf lebende Türken bewerten Putsch sehr vorsichtig: „Noch wissen wir zu wenig!“
Der Worringer Platz am Samstagmittag (16.7.): Fünf türkische Senioren sitzen an einem Tisch vor einem 24-Stunden-Kiosk und rühren ihren Tee. In ihrer Sprache diskutieren sie, was sie in der Nacht im Fernsehen gesehen und am Morgen von Verwandten und Bekannten am Telefon gehört haben. Nach offiziellen Angaben aus der Türkei waren am Samstag bei Sonnenaufgang 265 Menschen tot und mehr als 1440 verletzt. Morgengrauen. Vorsichtig sagt einer der Alten auf Deutsch: „Wir hier wissen nicht, was da passiert ist und wer dahinter steckt.“
Schlange vor dem Check-In-Schalter der Türkisch Airlines am Flughafen
Sie haben CNN geschaut, die ganze Nacht. Und TRT, das öffentlich-rechtliche Fernsehen der Türkei. Sie sahen, wie Jugendliche in Soldatenuniformen die Bosporus Brücken sperrten und sich dann von aufgebrachten Bürgern entwaffnen ließen, völlig verwirrt von Befehlslage und Wirklichkeit. Und dann finden sie ihre Losung für den Tag nach dem Aufputschversuch von Erdogan: „Keine Bilder, keine Namen, kein Kommentar.“
Keine Angst um die Angehörigen
Auch Ismail Kiziltan, Vorstand der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion, ist am Telefon überaus vorsichtig: „Wir wissen noch sehr wenig über die Ereignisse, um diese bewerten zu können.“ Auch er hat mehr als die halbe Nacht vor dem Fernseher verbracht und immer wieder telefoniert. Sorgen um Angehörige in der Türkei? „Eigentlich nicht, obwohl natürlich immer etwas passieren kann.“ Der Vertreter der Türkischen Gemeinde im Düsseldorfer Integrationsrat hat sein Handy abgeschaltet. Ein Sprecher des Kreises Düsseldorfer Muslime bittet um Verständnis: „Wir äußern uns nur über Dinge, die hier in Düsseldorf passieren.“
Fahnenschwingend und Erdogan preisend stehen die Anhänger des umstrittenen türkischen Präsidenten um 3 Uhr in der Nacht zu Samstag auch vor dem Generalkonsulat der Türkei in Düsseldorf, in der Willstädter Straße. Dort treffen sie jedoch nicht auf Panzer oder Putschisten, sondern auf Düsseldorfer Polizisten, die sich mehr um Ruhe und Verkehrssicherheit sorgen, als um den Schein und das Sein in einem fernen Land.
Kurzer Prozess mit den Richtern
Noch vor Tagesanbruch entließ Erdogan knapp 3000 türkische Richter und ordnete die Verhaftung von mehreren tausend Militärs an. Vom amerikanischen Präsidenten über die deutsche Kanzlerin bis zum UN-Chef wurde spätestens da allen Weltpolitiker zwei Dinge klar: Ersten waren ihre Apelle, zur Demokratie zurückzukehren, an den Regierenden in der Türkei abgeprallt. Und zweitens waren sie bloß Statisten in dieser Sommernacht, in der das Parlament in Ankara zu allem übrigen auch einen schweren Gebäudeschaden nahm. Der Herrscher vom Bosporus und seine Partei AKP wollen den Staatsapparat ohnehin wieder nach Istanbul verlegen.
Bundespolizei mit Maschinenpistolen sicherte die Gebäude am Flughafen
Der Düsseldorfer Flughafen widmet sich am Samstag der Aufgabe, das türkische Knäul im Flugplan zu entwirren – mit dem wenig hilfreichen, aber einzig möglichen Hinweis: Die Reisenden mögen sich selber um ihre Flugverbindungen kümmern und erst dann zum Airport kommen. 27 Abflüge und 24 Ankünfte stehen auf dem Plan in Düsseldorf Lohausen. Lufthansa und Lufthansa-Tochter German Wings streichen rigoros alles. Die klamme Air Berlin fliegt weiter. Vor dem Check-In-Schalter von Turkish Airlines wartet eine lange Schlange von Menschen darauf, endlich die Koffer abgegeben zu können.
Irgendwie muss es ja weitergehen.
Manche Airlines annulierten ihre Türkeiflüge, andere starteten – zum Teil mit mehrstündigen Verspätungen. Die Passagiere mussten – warten.