Düsseldorf diskutiert: Die neue Rechte greift nach Mitte, die Rechtschaffenen suchen Gegenargumente
„Das wird man doch noch mal sagen dürfen!“ sind die ersten Worte des Demagogen. Die auf teuren Absätzen daher stöckelnde Rechtsanwaltsgattin und der in Ehren ergraute Allwetterjacken-Träger sind in Düsseldorf ihre willigen Opfer. Ein Propagandamann hat sein allzu freimütiges Afd-Bekenntnis rasch als Geschäftshindernis erkannt und aus dem Netz getilgt. Aus dem Herzen auch? Im Gegenzug reden manche Gerresheimer CDU-Leute so, als gehörten sie längst zu den Wegbereitern der rechten Superelite. „Die neue Rechte greift nach der Mitte“ heißt der Untertitel von Liane Bednarz und Christoph Giesas Buch mit dem Titel „Gefährliche Bürger“. Am Mittwochabend las Liane Bednarz dem erschreckend orientierungslosen Bürgertum im Haus der Kirchen die Leviten.
Selbsthilfegruppe gegen Populisten
Das Schlimme an dieser Veranstaltung war der Diskussionsteil. Denn da bekannten viele derer, die sich zu Wort meldeten – dass sie in ihrem Freundeskreis und an der Verwandtentafel plötzlich mitten unter Fremdenhassern und Flüchtlingsfeinden sitzen. Unter Putin-Verstehern und Amerika-Verteuflern. Gekommen waren diese 45 Zuhörer, weil sie nach Stärkung suchen, nach Gegenargumenten, nach Hilfen – und diese nicht bei CDU oder SPD bekommen. Nicht bei den Kirchen, die auch ihre ultrarechten Gotteswinkel haben, und nicht bei den Gewerkschaften.
Merkels Politik des ruhigen Mundes
„Auf Schröders Politik der ruhigen Hand folgt bei Merkel die Politik des ruhigen Mundes“, analysierte Autorin und Journalistin Liane Bednarz schonungslos. Es wird nichts mehr erklärt, sondern mit nach unten gezogenen Mundwinkeln geschwiegen. Wo den Menschen Politik und Europa und der Sinn hinter dem allen nicht mehr erläutert werden, reicht schon ein größenwahnsinniger Geographie-Lehrer namens Björn Höcke, um Angst in Hass zu verwandeln, Hass auf die anderen. Auf die vermehrungsfreudigen Flüchtlinge, auf den Islam. Eine erbärmliche Methode,…
Die neue-alte deutsche Elite
… die in den 20er Jahren schon einmal ganz prima funktioniert hat. Liane Bednarz sagt deshalb sehr klar, dass die Afd, über die heute alle schwadronieren, schon bald vergessen sein wird. Sie dient den Rechten lediglich als willkommenes Vehikel, um ihre Hasstiraden, Verschwörungstheorien („Merkel will über den Flüchtlingszustrom die Umvolkung Deutschlands“) in die Mitte der Gesellschaft zu injizieren. Längst rede Höcke von der neuen deutschen Elite und der Machtergreifung in den nächsten Jahren.
Das Ressentiment wird salonfähig
Die Autoren Bednarz und Giesa zeigen in ihrem Buch auf, wie sich braune Soße seit der Finanzkrise 2009 einreduziert hat, wie die Verbindungslinien laufen zu den Wegbereitern der Nazis in den 20er Jahren, wie längst ein Teil der Begriffe aus Adolf Nazis Brüll-Reden wieder salonfähig geworden sind.
In ihrem Buch liefern sie auch das Rüstzeug für Gegenargumente. Wohl deshalb war einer der stadtbekannten Schein-Intellektuellen im Haus der Kirchen erschienen – und versuchte die Besorgnis der Bürger abzulenken auf die angeblich immer zur Gewalt bereiten Antifa. Was überhaupt nicht Thema des Abends war und von Liane Bednarz sehr rasch und sehr entschieden gestoppt wurde.
Das Buch
Gefährliche Bürger
Die neue Rechte greift nach der Mitte
Liane Bednarz und Christoph Giesa
Hansa-Verlag
17,90 Euro