Demonstration in Düsseldorf gegen die Gewalt von rechts: tägliche Pöbeleien und Kopftritte
Er lag auf dem Kopfsteinpflaster. Und bekam Schläge. Und Tritte. Ein-, zwei-, vielfach gegen den Kopf…“Da ging es um mein Leben“, sagt der, dessen Geschichte vom 20. November einer der Gründe für diese Demonstration ist. So wie er erzählt, sitzt der Schock tief. An jenem Freitagabend griffen 50 Schläger vor der Altstadtkneipe Papidoux in der Liefergasse rund 25 Personen dort an. Gut vier Wochen nach diesem Altstadtabend demonstrierten am Samstag (19.12.) rund 200 Menschen gegen rechte Gewalt und warfen der Düsseldorfer Polizei Untätigkeit vor.
Notfalleinsatz am 20. November, nach dem Angriff vor dem "Papidoux". Foto: Niclas Ehrenberg
„Die Angreifer suchten gezielt Leute aus, die links-alternativ aussahen – und schlugen sofort und brutal zu“, sagt Lukas, der mit dem Angegriffenen vor dem Papidoux war. Die Polizei? Sei erst viel später eingetroffen, habe nichts getan, um die Angreifer zu verfolgen, sondern nahm lediglich die Personalien der Angegriffenen auf. Sechs Verletzte mussten noch an dem Abend in Behandlung, viele weitere gingen in den Tagen danach mit Schmerzen zum Arzt. Der Angriff vor dem Papidoux habe das Fass zum Überlaufen gebracht. Der Vorwurf der Einlader, der „Äntifäschistischen Änten“, die von „Düsseldorf stellt sich quer“ unterstützt werden: Statt rechte Gewalttaten zu verhindern, würde die Düsseldorfer Polizei fast ausschließlich die Gegendemonstranten kriminalisieren.
Einen Monat später: Demo vor dem Papidoux
Wer nach der Zahl von rechtsradikal motivierten Straftaten in Düsseldorf fragt, bekommt zwei Antworten. Die des Landesinnenministeriums, das im Juni auf eine Anfrage der Grünen im Düsseldorfer Landtag die Landeshauptstadt unter die Top-Fünf-Städte in NRW mit politisch rechts motivierten Straftaten einordnet. Im Jahr 2014 wurden hier 130 solcher Straftaten gezählt. Nur Köln, Dortmund, der Großraum Aachen und Duisburg brachten mehr Neonazi-Straftaten zur Anzeige. Das ist die eine Antwort.
Die andere kommt aus der Pressestelle des Düsseldorfer Polizeipräsidiums. Obwohl Düsseldorf NRW-Drehkreuz zur Aufnahme von Flüchtlingen sei, gebe es rings um die Aufnahmestellen keine besonderen Vorkommnisse. Keine Angriffe, keine Bedrohungen, nicht einmal Schmierereien: „Wir haben Probleme mit Salafisten, die versuchen Leute anzuwerben. Und mit Vertretern, die Handy-Verträge anbieten“, sagt ein Sprecher. Und darüber hinaus? „Nichts Außergewöhnliches. Uns machen gewaltbereite Linke viel mehr Sorgen.“
Wie ansteckend ist rechts motivierte Gewalt?
Kein Wort zu dem mittlerweile unerträglichen Klima in Garath. Dort bedrohen Personen aus der Anhängerschaft des Republikaners Karl-Heinz Fischer („Richtig ehrliche Politik“) täglich und gezielt andersdenkende Nachbarn mit Prügel oder Schlimmerem. Wenn den derart Bedrohten über soziale Netzwerke geraten wird, auf Umwegen nach Hause zu gehen, müssten Politik und Polizei in Garath nicht bloß alarmiert sein, sondern längst handeln. Stattdessen bleiben die Bedrohten alleine. Muss erst etwas passieren? Einige Teilnehmer der Samstagsdemo wollten sie spontan nach Garath verlegen, statt durch die Innenstadt zu ziehen.
Menschenjagd in der S-Bahn
Weitere, bekannt gewordene Vorfälle rechtsmotivierter Gewalt:
– Am 9. März wurde ein Mitarbeiter der Falken in einer S-Bahn von rechten Hooligans angegriffen und leicht verletzt. Am S-Bahnhof Rath konnte die Polizei die Tatverdächtigen, drei Männer, zwei Frauen, stellen. Gegen sie wurden Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung eingeleitet.
– Am 6. März wurde ein 20-Jährige in Bilk von einem Mann angegriffen, zu Boden geschubst und getreten.
– Am 2. März soll Augenzeugen zufolge eine junge Frau am Hauptbahnhof von Rechtsradikalen angegriffen worden sein.
Hetzer ohne Zulauf
Viele dieser Vorfälle geschahen im Umfeld der 21 erbärmlichen Dügida-Demonstrationen in Düsseldorf. Deren Anmelderin hat nun per facebook die Aufgabe der Aufmärsche verkündet und Gefolgsleute nach Duisburg verwiesen. Ein Grund zum Aufatmen? Der Sozialwissenschaftler Alexander Häusler von Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus an der Fachhochschule Düsseldorf warnt vor der enormen Zunahme rechtsradikaler Gewalt. Mittlerweile seien alle Hemmschwellen gefallen, wie die starke Zunahme der Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte zeige. Vor diesem düsteren Hintergrund stehe Düsseldorf vergleichsweise gut da: „Ob Dügida, Republikaner oder die sogenannte ‚besorgte Bürger‘ – bisher hat keine dieser Gruppierungen eine Wirkung auf die Stadtgesellschaft gehabt.“ Zu dieser Immunisierung hätten der permanente Einsatz von Gegendemonstranten und „gewachsene Strukturen der Zivilgesellschaft“ beigetragen. Doch das Messer-Attentat auf die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker habe gezeigt, wie rasch eine Eskalation möglich sei.
Beratung für Opfer rechter Gewalt
Den Opfern rechtsradikaler Gewalt droht oftmals ein jahrelanges Leiden – sagt Birgit Rheims. Sie leitet die 2012 gegründete „Opferberatung Rheinland“. Dort finden Betroffene rechtsextremer und rassistischer Gewalt Beratung und Unterstützung. „Zunächst einmal geht es bei uns um die Stabilisierung der Ratsuchenden.“ Psychische Folgen von Übergriffen wie Panikattacken oder Depressionen, müssten aufgearbeitet werden. Daneben gibt es Unterstützung für den Umgang mit Polizei und Justiz.
Fakten und Kontakte
– Die Zahl der politisch rechts motivierten Straftaten in Nordrhein-Westfalen ist 2014 deutlich angestiegen – von 3085 auf 3286.
– Im Gewalt-Ranking der Städte steht Köln mit 413 Straftaten (darunter 169 Körperverletzungen) vorn – Grund war eine gewalttätige Hooligan-Demo. Es folgen Dortmund (269 Straftaten, 42 Körperverletzungen), Städteregion Aachen (145 Straftaten), Duisburg (138 Straftaten) und Düsseldorf (130 Straftaten).
– Die „Äntifäschistischen Änten“ sind eine Gruppe junger Antifaschisten, die sich vor allem in der Flüchtlingsarbeit engagieren. Sie haben eine facebook-Seite. Kontakt per Mail: aenten@gmx.de
– Die Opferberatung Rheinland ist erreichbar per Telefon (0211) 15925564, per Mail (info@opferberatung-rheinland.de) oder über die Webseite: www.opferberatung-rheinland.de