Hiobsbotschaft in Ratingen bei Düsseldorf: Hewlett-Packard will sich von jedem zweiten Mitarbeiter der „Enterprise Services“ trennen
Großer Schock beim Computerunternehmen Hewlett-Packard in Ratingen: Dort wurde am Mittwoch den Beschäftigten vom Management kühl mitgeteilt, dass sie zu teuer sind. Von bundesweit rund 4000 Beschäftigten der Unternehmenssparte Enterprise Services will sich Hewlett Packard von nahezu jedem zweiten Mitarbeiter trennen. Viele davon sitzen in Ratingen. Seltsam sanft kommentierte die IG Metall den Vorgang.
Nach der Mitarbeiterinformation gingen die Beschäftigten sprachlos und entsetzt zurück an die Arbeit. Augen zu und durch? Vielleicht bin ich ja nicht betroffen? Bis Mitte kommenden Jahres sollen die Mitarbeiter Schritt für Schritt von Vorgesetzten und der Personalabteilung bearbeitet werden, bis sie fast dankbar sind für ihren Abschied von HP: „Endlich Klarheit“.
Auffällige Unterschiede zwischen interner und externer Kommunikation
Auffällig: Der Unterschied zwischen externer und interner Kommunikation des Vorgangs, den Mitarbeiter und Betriebsräte gegenüber report-D als „Blutbad“ bezeichneten. Auf unsere Nachfrage in der deutschen Pressestelle von Hewlett-Packard bestätigte ein Sprecher mit sanfter Stimme: 1000 bis 1500 Mitarbeiter würden –nein, nicht entlassen, sondern „ausgelagert“. Er setzte diese Zahl ins Verhältnis zur Gesamtzahl der HP-Mitarbeiter in Deutschland – das sind 9000. Tatsächlich ist aber nur die Unternehmenssparte „Enterprise Services“ betroffen – eben jene rund 4000 Menschen. Hütchenspielertricks der HP-Kommunikation.
"Verlagerung" von Mitarbeitern
In HPs schöner neuer Industriewelt sollen die 1500 Frauen und Männer an andere Unternehmen übergeben werden. „Sie werden also nicht arbeitslos“, wiederholte der Unternehmenssprecher sanft. Wer als aufnehmendes Unternehmen in Frage komme, sei bislang nur vorsondiert – stehe aber noch nicht fest. Die Mitarbeiter erfuhren: Es gibt eine Liste von vier Unternehmen, von denen drei bereits fix sind.
Der Computerkonzern stellt sich die Zukunft so vor: HP behält alle Dienstleistungsverträge mit den Kunden. Ein Teil der Aufgaben wird nach Indien verlegt – im Manager-Sprech: „off-shoring“. Ein Teil der Aufgaben wird in osteuropäische Länder verlegt – „near-shoring“. Und die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die nun die HP-Mitarbeiter übernehmen sollen, können sich um Aufträge bewerben. Dabei soll der jeweils günstigste zum Zuge kommen.
Jeder kann gegen jeden ausgespielt werden
Das HP-Management kann dann nach Belieben jeden gegen den jeweils anderen ausspielen. „Am Ende werden diese kleineren Unternehmen die Menschen entlassen, wenn Aufträge verloren gehen. Die machen die Drecksarbeit für HP“, sagte eine Frau zu report-D, und bat inständig darum, anonym bleiben zu dürfen. „Sonst bin ich die erste, die fliegt und dann?“ Auch für diesen Fall hatte die sanfte Stimme der HP-Unternehmenskommunikation einen Faktenhinweis parat: „Es gibt über 40.000 offene IT-Stellen in Deutschland.“ Gute Fachkräfte seien gesucht…
Die HP-Gerage als Silicon-Valley-Mythos: Das Museum ist bereits privatisiert
Eine solche Rigorosität im Vorgehen eines Unternehmens gegen die eigene Belegschaft hätte die IG Metall früher spontan auf die Barrikade gebracht. Das ist längst Vergangenheit. Johannes Katzan vom IG-Metall Vorstand kommentierte die Trennungspläne so: „Das ist ein falsches Signal für die Beschäftigten wie für die Kunden.“ Er forderte einen „Restrukturierungs-Tarifvertrag, durch den unter anderem der Übergang der Beschäftigten geregelt wird.“ Vom Arbeitskampf hat sich die IG Metall offensichtlich verabschiedet. Wenn die betroffenen HPler aus der Schockstarre erwachen, dürfen sie nicht auf ihre Gewerkschaft zählen.
Industrie 4.0 baut auf das Internet der Dinge. Menschen kommen da – wenn überhaupt – nur noch am Rande vor.
Ein altes Bild: Die SPD-Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese (2.v.l.) infomierte sich bei HP über die Ausbildung
Fotos: Kerstin Griese, Wikipedia