Düsseldorf Benrath streitet um die Trauerweide vor dem Lustschloss: ein Informationsabend
Im Wort für das Erhaltenswerte steckt eine Aufforderung: Denk mal! Wenn es um die kleine Insel im Schlossweiher geht, wird dies in Düsseldorf Benrath ganz unterschiedlich praktiziert. Die einen wollen den Flecken so, wie sie ihn seit 60 Jahren kennen: mit einer Trauerweide. Die anderen fordern größtmögliche Authentizität im Sinne des historischen Vorbilds. Das würde bedeuten: Pappel und Trauerweide – so wollen es Gartenamt und Denkmalschutz – oder gar keine Insel, gar keine Bäume.
Solche Herausforderungen plagen einen reichen, ruhigen, bürgerlichen Stadtteil. Weshalb man sich darüber nicht minder an die Köppe kriegen kann. Also lud die Stadt am Dienstagabend (8.9.) zur Bürgerinformation über die Beseitigung der Schäden, die Pfingstorkan Ela im Schlosspark 2014 hinterlassen hat.
Es gab einen "Erkenntniszuwachs"
Gartenamtsleiterin Doris Törkel erläuterte zu Beginn der Information im Ostflügel des Schlosses – früher Gymnasium, heute Gartenbaumuseum – warum die Beseitigung der Sturmschäden mit 258.000 Euro viel günstiger kommt als ursprünglich befürchtet. Da schätzte das Gartenamt den Aufwand „grob“ auf mehr als eine halbe Million Euro. Kompetent, ruhig und gut gelaunt sprach Törkel von einem „Erkenntniszuwachs“.
Der macht ihr das Leben leicht, weil bei Summen unter 500.000 Euro die Stadtteilpolitiker nur noch informiert werden müssen, aber nicht mehr mitentscheiden dürfen. Die Bezirksvertretung ist ausmanövriert. Es entscheiden – der Ausschuss für öffentliche Einrichtungen im Sammelverfahren – schließlich sind 16 von 32 Düsseldorfer Gartendenkmälern von Ela gezaust und der Rat. Da wird es nicht mehr um Details gehen. Das Publikum lernt: Frau Törkel weiß auf der Klaviatur der Verwaltung zu spielen.
Irgendwann werden wir es die "Törkel-Finte" nennen
Beim Schlosspark Benrath gebe es drei Bereiche: Die Insel im Schlossweiher, den englischen und französischen Garten und den Park. Bei letzterem läuft die Schadenserhebung und Maßnahmenplanung noch. Wenn das Gartenamt irgendwann noch mal eine Viertelmillion nachfordert, wird das Ganze als die Törkel-Finte in die Lehrbücher zukünftiger Beamtinnen-Generationen eingehen. Aber so weit sind wir noch nicht.
Denn da sind ja: die Bürger. Das traditionelle Lager mit der Heimatgemeinschaft Groß-Benrath in der Mitte hat sofort angefangen, Baumspenden zu sammeln. Als man geknickt vor der geknickten Trauerweide stand war klar: „Die wollen wiederhaben!“ Und nichts anderes. Da kann so mancher Graubart zum Wutbürger werden und zieht sich scheinbare Fakten bei Wikipedia, die mit penetrantem Absolutheitsanspruch und nicht etwa als Diskussionsbeitrag präsentiert werden. Auch darauf hat Frau Törkel eine Antwort: Landschaftsarchitekt Ehm Eike Ehrig aus Bielefeld.
(von links): Landschaftsarchitekt Ehm Eike Ehrig, Gartenamtsleiterin Doris Törkel und Stefan Schweizer von der Stiftung Schloss Benrath informierten am Dienstagabend die Bürger
Der holt in seinem Gutachten aus, führt Quellen an, ordnet ein. Die Zusammenfassung: Am Anfang, 1773, war der Schlossweiher ohne Insel. Purer Spätbarock. Europäisch einmalig. Ein Lustschloss nach französischem Vorbild. Doch nur fünf Jahre später dankte Kurfürst Carl Theodor ab. Die Anlage begann zu verfallen. Napoleons Truppen trugen 1795 das ihre dazu bei. Beim Wiener Kongress, 1815, wurde das Lustschloss preußisch, was ein Widerspruch in sich ist. In der Tat brauchten die Preußen Jahrzehnte, um sich und ihre neuen Ländereien am Rhein zu sortieren. Aber 1843 erreicht preußische Gründlichkeit das Schloss Benrath.
Um 1820 durften einfache Bürger in den Schlosspark
Damals durften einfache Anwohner erstmals durch den Schlosspark spazieren. Zu festgelegten Zeiten. Ohne Hund, die Kinder an der Hand, wie es die erste Parkordnung von 1820 festlegt – aber immerhin. 1843 gab es den Plan, Schloss und Park dem Vorbild englischer Landschaftsarchitektur anzunähern. Denn die war damals in Mode. Der Schlossweiher bekam eine Art naturnahes Ufer. Die Insel entstand. Mit Pappel und Stockweide, die ihre Äste nicht trauernd hängen lässt. Für den geschmeidigen Landschaftsarchitekten Ehrig ein „Fehlkauf, wie er immer wieder vorkommt“.
Die Pappel kam in den 1940ern abhanden
Eigentlich habe man damals schon eine Trauerweide haben wollen, denn die Insel im Schlossweiher zu Benrath sei ein Zitat der „Rousseau‘schen Insel“. Das meint ein Eiland, Pappel-umkränzt und mit Sarkophag in der Mitte. Die gerade gewachsene Pappel im Süden als das Aufstreben der Seele und die Trauerweide im Norden der Insel, mit hängenden Ästen, als Symbol für Vergänglichkeit und Dunkelheit. Respekt, darauf muss man erst mal kommen. Die Pappel in mittlerweile zweiter Generation sei irgendwann in den Kriegsjahren um 1941 abhandengekommen.
Ein völlig ungeeigneter Standort
Gleichzeitig verriet der Bielefelder Experte aber auch, dass die Insel in der heutigen Form völlig ungeeignet ist für jedwede Bäume. Dauernass, im Boden sauerstoffstoffarm. Dazu mit 40 Quadratmetern deutlich kleiner als zu Beginn, als sie stolze 60 Quadratmeter maß. Bevor irgendein ein Baum dort angepflanzt wird, muss die Insel befestigt und mit Lavasteinen ertüchtig werden. Derzeit gleicht sie eher einem Pudding.
Nicht zuhören und ja keinen Kompromiss eingehen
Wie die nachfolgende Diskussion. Die eine sehr moderne war, weil jeder vehement seinen Standpunkt vortrug. Ohne die Fähigkeit, zuzuhören. Und ohne den Willen, einen Kompromiss einzugehen. Und genau dafür sollte man eine Trauerweide in Benrath pflanzen – egal wohin.