Düsseldorf glotzt: „Man geht da offenen Auges in des Teufels Küche“ schimpft Medienkritiker Fritz Wolf und meint den WDR samt Rundfunkrat
Er sei „ein weiterer Österreicher im deutschen Mediengeschäft“ sagt Fritz Wolf mit einem Spritzer Selbstironie. Medienthemen sind sein Schwerpunkt. Seit vielen Jahren sitzt Wolf in der Jury des Grimme-Preises, ist Preisträger im Bereich der Medienpublizistik, und Referent auf zahlreichen anerkannten Medienforen. Und der in Düsseldorf lebende Fritz Wolf hat oft über die Arbeit von Rundfunkräten referiert und geschrieben. Mit ihm sprach report-D über die Entfernung der Plasberg – „Hart, aber fair“-Sendung zu Gender-Gaga aus der WDR-Mediathek auf Empfehlung des Rundfunkrates. AKTUALISIERUNG: Am 1. September hat der WDR die Gender-Gaga-Talkshow aufgrund der Proteste zurück in die Mediathek gestellt.
Ist das Zensur gewesen, wie interessierte Medien und Politiker behaupten?
Interessante Frage. Denn mit dieser Aktion tut sich ein weites Feld auf. Zensur heißt, es wird etwas nicht veröffentlicht, weil ein Sender, eine Regierung, etwas nicht veröffentlicht sehen will. Dem steht das Grundgesetz entgegen. Der Vorwurf, Zensur ausgeübt zu haben, ist also ein schwerer Hammer. Mit dem Netz wird das aber mit der Veröffentlichung komplizierter. Wenn die Sendungen in der Mediathek stehen, ist das sozusagen permanente Veröffentlichung – jeder hat jederzeit Zugriff. Insofern könnte man den Entzug der Sendung es als Zensur bezeichnen, weil man diesen Zugriff jetzt nicht mehr hat. Da die Sendung aber bereits veröffentlicht, wiederholt und geparkt worden ist, ist es wiederum keine Zensur im klassischen Sinn. Ich kenne natürlich den Plasberg-Talk im Ganzen, habe aber speziell diese Sendung nicht gesehen und erlaube mir kein Urteil. Ich habe aber bisher den Eindruck, die Aktion des WDR ist weniger dramatisch als eher lachhaft. Wer keine größeren Sorgen hat. …
"Das wirkt eher hilflos"
Plötzlich selbst im "Faktencheck": Frank Plasberg, gebeutelt vom Rundfunkrat des WDR
War der Rundfunkrat gut beraten, die Plasberg-Sendung ins Off zu schieben – bei Youtube steigen seither die Zugriffszahlen?
Der Rundfunkrat hat die Sendung nicht ins Off geschoben, er hat es offenbar nur empfohlen und der Sender ist dieser Empfehlung gefolgt. Klar steigen jetzt die Zugriffszahlen auf Youtube. Jetzt wollen einige, die die Sendung nicht gesehen haben, wissen, ob sie wirklich so anstößig war. Die Aktion, die Sendung aus der Mediathek herauszunehmen, wirkt eher hilflos. Irgendwo taucht sie doch wieder auf. Der Diskussionsanstoß war das Entscheidende. Dazu hat der Rundfunkrat alles Recht.
Programme beobachten, Beschwerden behandeln
Was ist die Aufgabe des WDR-Rundfunkrates?
Rundfunkräte haben die Aufgabe, die Arbeit der Sender zu kontrollieren, ob sie ihren gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben nachkommen. Sie sollen auch die Programme beobachten, das tun in der Regel die Programmausschüsse. Sie behandeln auch Beschwerden von Zuschauern nach einem festgelegten Verfahren. Dabei muss es sich um eine Verletzung der Sendergrundsätze handeln. Das ist bei dieser Plasberg-Sendung offensichtlich nicht der Fall. Die formale Beschwerde wurde also zurückgewiesen.
Rundfunkräte sollen sich nicht in die Programmhoheit des Senders einmischen
Rundfunkräte haben aber nicht die Aufgabe, sich in die Programmhoheit des Senders einzumischen. Sie können also nicht einfach sagen, diese oder Sendung passt uns nicht, die möchten wir abgesetzt sehen. In Programmfragen sollten Rundfunkräte nur auf übergeordneter Ebene tätig werden, zum Beispiel als sie sich darüber beschwert haben, dass zu viele Talksendungen das Abendprogramm blockieren oder dass Sportarten, die nicht Fußball sind, unterrepräsentiert sind. Der Rundfunkrat muss sich natürlich auch mit einer Beschwerde zu einer einzelnen Sendung befassen, wie in diesem Fall. Wenn er damit eine öffentliche Diskussion anzettelt zu einer relevanten Frage, dann ist das auch in Ordnung. Aber zu empfehlen, sie aus der Mediathek zu nehmen, steht ihm meines Erachtens nicht zu. Und auch die Begründung, die Sendung sei „unseriös“ gewesen, ist fragwürdig. Wer bestimmt, was „unseriös“ ist? Man geht da offenen Auges in des Teufels Küche.
Was ist das – eine "schlechte Sendung"?
Das Argument für die Verbannung dieser konkreten Sendung waren angeblich nicht die sechs Beschwerden von Frauenverbänden, sondern dass es sich „um eine schlechte Sendung gehandelt hat“ – gerade die müssten doch eigentlich erhalten bleiben, zumindest als abschreckendes Beispiel. Wie ist Ihre Meinung?
Erhalten bleiben muss eine schlechte Sendung wirklich nicht und abschrecken lässt sich eh keiner. Aber wenn man alle schlechten Sendungen aus den Mediatheken nehmen müsste, wäre da plötzlich ziemlich viel Platz. Doch hier handelt es sich um ein vorgeschobenes Argument. Jeder will sein Gesicht wahren, der Sender jedenfalls möchte nicht zugeben, dass er auf öffentlichen Druck reagiert hat.
Fast scheint es so, als hätten manche auf diese Chance gewartet…
In der Berichterstattung über diesen Vorgang tun sich nach meiner Beobachtung die FAZ und die BILD-Zeitung hervor. Welche Interessen machen Sie bei den dahinter stehenden Verlagshäusern aus? Fast scheint es so, als habe man nur auf so etwas gewartet…
Diese Heuchler. Gerade die Zeitungsverleger haben dafür gesorgt, dass im Rundfunkgesetz steht, dass zahlreiche Fernsehsendungen nur sieben Tage lang in den Mediatheken vorkommen dürfen. Eines der vielen Beispiele dafür, wie sich in der Medienpolitik Lobbyinteressen durchsetzen. Wenn sie jetzt beklagen, dass eine Sendung nach einem halben Jahr herausgenommen wird, ist das in dieser Sicht eher nun noch komisch. Und die BILD-Zeitung als Verfechterin der Meinungsfreiheit ist ohnehin ein Treppenwitz.
Die öffentliche Diskussion fördern, ohne Redakteure zu maßregeln
Wer muss – aus Ihrer Sicht – was beim nächsten Mal besser machen?
Der Rundfunkrat soll durchaus dem Sender auf die Pfoten schauen, er soll sich aber nicht einen Eingriff in die Programmhoheit anmaßen. Er soll öffentliche Diskussionen befördern, aber nicht Redakteure maßregeln. Die Politik soll zusehen, dass die Verweildauer in den Mediatheken länger wird und dass die Autoren daran beteiligt werden. Die Sender sollen die politische Meinungsbildung ermöglichen und das muss nicht immer die geläufige Talk-Methode sein, die Runde nach dem Kasperletheaterprinzip zu besetzen werden, mit Guten und Bösen, einem Krokodil und einem Polizisten mit Keule. Politik ist spannender als diese Konstruktion.
Danke, lieber Fritz Wolf.