Die Japanische Gemeinde in Düsseldorf: Mit Buddha an die Weltspitze
Am Anfang stand der Glaube. Und mit dem Wiederaufbau ihrer Industrie nach dem 2. Weltkrieg fanden die Japaner in der Nähe zum Ruhrgebiet die notwendige Technik für ihre Schwerindustrie. Das war vor 70 Jahren. Längst gehen seitdem alle Geschäfte gut…
… – und so floss denn endlich auch Geld für das europäische Haus Buddhas, den gnädigen Heiland: 33 Millionen Mark sammelten gläubige Japaner in den eigenen Reihen. Anfang September 1992 wandelte ein schwarzgewandeter Priester das immense Vermögen mit einem hölzernen Klöppel in ein religiöses Symbol. Die Schläge auf die 1,1 Tonnen schwere Glocke aus purer Bronze galten als symbolische Stimme des "Amida Buddha". Zur Eröffnung des Düsseldorfer Zeremoniells erklang sie neunmal im jeweiligen Abstand von 30 Sekunden.
108 Glockenschläge gegen die menschlichen Leiden
Insgesamt 108 Klänge in jeder Silvesternacht sollen die 108 menschlichen Leiden vertreiben. Dazu zählen in der buddhistischen Überlieferung auch „Neid, Hass, Ärger. . .“.
Genau das schlug Yoschiaru Nakajima 1987 entgegen. Damals war der Generalmanager der Buddhistischen Kulturgemeinde von empörten Düsseldorfern umgeben. Die erste öffentliche Anhörung zum japanischen Kulturzentrum geriet mitunter heftig. Von Erpressung (in Anführungszeichen) einer Wirtschaftsmacht war die polemische Rede der Bürgerinnen und Bürger. Von Sonderrechten japanischer Menschen zu Lasten linksrheinischer Düsseldorfer. Da sollte eine seltene Grünfläche verbaut werden, hieß es, gar ein fernöstliches „Ghetto“ wurde befürchtet.
Wirtschaft bedeutet Kampf: Samurai beim Training
Drei Monate später hatte die Stadt das 10.000 Quadratmeter große Areal zum Preis von 2,5 Millionen Mark an den 91-jährigen Unternehmer Yehan Numata verkauft. Der Gründer der Mitutoyo GmbH wartete gerne mit einer persönlichen Anekdote von Glaube und Geld auf. Als er noch ein armer Student in Amerika war, so ging seine Geschichte, hätten ihm die buddhistischen Lehren Shinrans aus einer schweren Krankheit geholfen. Deshalb gelobte Numata, sein Leben und künftigen Reichtum der wohltätigen Verbreitung des Buddhismus zu weihen: "Möge die Welt friedlich sein."
8000 überaus höfliche und tüchtige Mitbürger
Die rund 8000 Japaner in Düsseldorf, ihrer größten europäischen Kolonie, sind sehr höflich. Und tüchtig. Das Handelshaus Okura & Co. war die erste japanische Niederlassung in den 50er Jahren. Die Gemeinde der Asiaten wuchs zunächst langsam. Dann aber im Tempo des internationalen Handelserfolges Japans. Hierzulande ließen sich zunächst Industrieunternehmen aus den Bereichen Maschinen- und Fahrzeugbau, Elektrotechnik und Chemie nieder. Gefolgt von Handelshäusern und, selbstverständlich, der gesamten Palette der Dienstleistungsunternehmen: Von Lebensmittelläden, Gaststätten über Banken, Versicherungen bis zu den Werbeagenturen. Abgerundet wird die fernöstliche Präsenz durch Speditions-, Bau- und Maklerfirmen.
Bereits 1964 wurde in Düsseldorf der japanische Club gegründet, der heute 4 100 Einzelpersonen und 254 Unternehmen als Mitglieder zählt. Ein Jahr später eröffnete das japanische Konsulat, das bald zum Generalkonsulat aufgewertet wurde. 1966 wurde die eigenständige Industrie- und Handelskammer der Japaner gegründet. Sie begann mit 60 Mitgliedern, inzwischen sind es 516 (Stand: Januar 2015) mehr. Die 488 japanischen Unternehmen beschäftigen 26 000 Frauen und Männer – deutsche wie japanische.
Ein meisterlich-präzise geführter Schlag…
Die aktuellen Zahlen des nordrhein-westfälischen Statistikamtes mit dem hochmodernen Namen „IT.NRW“ machen die rege Geschäftigkeit deutlich: Im ersten Halbjahr 2014 wurden Waren im Wert von 3,4 Milliarden Euro aus Japan nach NRW eingeführt. Der Dreh- und Angelpunkt solch immenser Emsigkeit ist, in der Nähe des Düsseldorfer Hauptbahnhofs, die Immermannstraße. Diese Anschrift im Herzen der Innenstadt war den Japanern 1978 rund 180 Mio. DM wert: Soviel investierten sie in den Bau des "Deutsch-Japanischen Centers", das längst eine Mini-Stadt in Düsseldorfs Zentrum geworden ist.
Dort gibt es Bankdienstleistungen, einen Frisör und den Glücksbringer "Daruma“, als Puppe in unterschiedlichen Größen: Daruma war ein buddhistischer Priester, der nach einer Sage zur Erfüllung aller Wünsche auf einem Stein wartend saß. Selbst der weiße Eierwagen, der mittwochs durch die japanischen Wohngebiete im linksrheinischen Düsseldorf rollt, trägt die werbend "kata- kann", die Silbenschrift.
Shodo – die Schönschreibkunst
Die Schönschreibkunst mit Pinsel und Tusche („shodo“) lernen die rund 650 japanischen Mädchen Jungen in einer eigenen Schule. Schon vor 41 Jahren hatte sich ein entsprechender Verein gebildet und war als Bauherr aufgetreten. Das Schulsystem gliedert sich in eine sechsklassige Grund- und eine dreiklassige Mittelstufe. Der Schritt zur großen Kultur-Mission war folgerichtig klein: Eko, das Haus mit dem Licht der Gnade, und O-Tera, der Tempel. Nach fünf Jahren Bauzeit endlich: Ein beschaulicher Ort zur Besinnung für die vielbeschäftigten Manager aus Handel und Industrie, für die Familien – und eben ein religiöses Symbol wirtschaftlicher Macht.
Ein religiöses Symbol wirtschaftlicher Macht
Denn ohne die – daraus macht Toshihide Numata überhaupt keinen Hehl – gebe es diesen Tempel nicht. Numatas Vater gründete 1934 die Firma "Mitutoyo". Deren erklärtes Ziel ist für die westliche Warte wenigstens irritierend: 1. Die weltweite Verbreitung des Buddhismus ("Mission"); 2. Als Hersteller von Präzisions-Messgeräten an der Weltspitze zu sein. So wirkt denn Numata jun. auch zwingend weltlich wie sakral: Er ist Vorstand der Neusser Mitutoyo GmbH und zugleich der "Gesellschaft für das Verbreiten des Buddhismus in Europa". Beide expandieren kontinuierlich. Die Firma ist in 80 Ländern vertreten. Die Botschafter in Sachen Buddhismus haben Niederlassungen auch in Nord- und Südamerika organisiert und Seminare in renommierten Universitäten eingerichtet.
Sie lieferten das Buch von der "Lehre Buddhas" in über fünf Millionen Exemplaren aus und hoffen auf keimende Barmherzigkeit der Leserschaft. Dazu gehören, immer öfter, weltweit alle Hotel-Gäste. Das alles sei, so wusste es der mit 97 Jahren 1994 verstorbene Yehan Numata, "für das ewige Glück der Menschheit" sowie den "Weltfrieden". Der nämlich sei nur durch Vervollkommnung aller möglich – die Lehre Buddhas ha¬be sich dieses Ziel gesetzt. Die Logik der Lehre ("Bringe der Welt den Frieden") ist in Düsseldorf 13 Meter hoch, 17 Meter breit und geht 28 Meter in die Länge: Unter dem kupfernen Dach des Tempels finden 230 Menschen Platz. Nach dem Willen des wohl weisen Numata und des Trägervereins soll hier das Tee-Zeremoniell gelehrt werden. "Shomyo", der hymnische Tempelgesang, erklingt seitdem. Nachgesonnen werden soll "über das Wesen des Weltalls" und, so paradox es angesichts wirtschaftlicher Expansion scheinen mag, über die stufenweise Abtötung der Begierde.
Am Samstag, 30. Mai, ist Japantag am Düsseldorfer Rheinufer. Bitte klicken Sie hier für das umfangreiche Programm
Fotos: DMT