Bei aller Trauer nach dem Absturz des Germanwings-Airbusses: Jetzt geht es ums Geld
Die Kerzen sind niedergebrannt, die Tränen getrocknet. Bei aller Trauer über die Opfer des Germanwings-Flugs 4U9525 geht es jetzt auch ums Geld. Und eben das, genauer: die großzügige Soforthilfe, bleibe die Lufthansa schuldig. Das beklagte Vasili Bryjak (30), der Sohn des in den französischen Alpen abgestürzten Operntenors Oleg Bryjak. „Die Lufthansa hält ihr Versprechen nicht und lässt uns einfach allein“, sagte Bryjak. Mittlerweile hat er den Betrag von 50.000 Euro bekommen, bestätigten sein Anwalt Dr. Christof Wellens und ein Lufthansa-Sprecher am Mittwoch (22.4.) gegenüber report-D.
Anwalt Dr. Christof Wellens aus Mönchengladbach ist zugleich Vorsitzender des Vereins "Crash – Gesellschaft für Opferrechte", die nach dem Concorde-Absturz gegründet wurde
Der Mönchengladbacher Anwalt Christof Wellens vertritt nach eigenen Angaben mehr als 60 Hinterbliebene von Absturzopfern. So wie er es 2000/2001 bei der kurz nach dem Start brennend in Paris zerschellten Concorde tat. Um als Opferanwalt erfolgreich zu sein, muss Wellens unbequem sein. Für die Lufthansa und die Behörden. Die Fluggesellschaft weiß das und hat ihrerseits einen Anwalt engagiert – eigens als Ansprechpartner für Opferanwälte wie Wellens und Prof. Elmar Giemulla. Ein Lufthansa-Sprecher sagte: „Wenn sich Familien direkt an uns wenden, bekommen sie Ansprechpartner direkt im Unternehmen.“
Wellens meint: „Unbürokratisch war die Lufthansa nur in den ersten Tagen nach dem Absturz. Jetzt ist alles viel komplizierter geworden.“ Er kritisiert: Eigentlich sollte die Soforthilfe spätestens 15 Tage nach dem Absturz überwiesen werden. Nun seien schon vier Wochen vergangen – und immer noch warteten Familien auf den Notgroschen.
Mehr als zwei Dutzend Hinterbliebene ohne Soforthilfe
Der von report-D befragte Lufthansasprecher präzisiert: Von den 144 Anspruchsberechtigten – für die sechs Crewmitglieder gelten andere Regeln – hätten bis vergangenen Freitag 111 die Soforthilfe bekommen. Mittlerweile seien es mehr, denn täglich werde ausgezahlt. Er gehe davon aus, dass Dreiviertel der Hinterbliebenen das Geld auf dem Konto habe.
Bevor gezahlt wird, will die Lufthansa sicher sein, den Richtigen vor sich zu haben. Hierzu übermittelt sie den Hinterbliebenen Formulare und Angaben zu den Papieren, die benötigt werden. „Nach einem Check geht dann alles sehr schnell“, wiederholt der Sprecher der Airline. Und auch Wellens bestätigt, dass manche Familien noch gar keine Ansprüche auf Soforthilfe angemeldet hätten: „Ich kenne eine Familie, die fälschlicherweise dachte, wenn sie die Soforthilfe annimmt, verwirkt sie das Recht auf alle weiteren Zahlungen.“
Opernsänger Oleg Bryjak kam beim Absturz ums Leben. Sein Sohn Vasili kritisierte die Lufthansa
Dem ist nicht so. Wenn es bei dem Co-Piloten als Absturzursache bleibt, ist die Lufthansa in unbegrenzter Höhe in der Haftung. Bei einem technischen Defekt wären es 150.000 Euro pro Opfer. Die Opferanwälte prüfen nach eigenen Angaben derzeit, ob sie Schadenersatzansprüche nach US-Recht geltend machen können. Dort geht die Berechnung der Ansprüche nicht nur vom Unterhalt für die Hinterbliebenen aus, vom Schadenersatz für Reisekosten, Lohnausfall, den Honoraren für Ärzte und Psychologen, Umschulungen – so wie in Deutschland. Vielmehr werden auch alle künftigen Leistungen etwa eines Familienvaters für seine Frau und seine Kinder und der seelische Schmerz entgolten. In den USA sind die Summen, die Hinterbliebene fordern und bekommen, ungleich höher als in Deutschland.
Opferanwälte prüfen Schadenersatzforderung nach US-Recht
„Wir haben drei US-Bürger in der Maschine gehabt und zwei weitere Menschen, die dort dauerhaft gelebt haben“, sagt Opferanwalt Wellens. Zudem müsse noch aufgeklärt werden, was damals während der Ausbildung des Co-Piloten geschah, die ebenfalls teilweise in den USA stattgefunden habe. Man sei da ganz am Anfang der Prüfungen.
Scharfe Kritik übt Wellens an den französischen Behörden. Sie wollen offenbar erst dann die Totenscheine für die 150 Absturzopfer ausstellen, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind. Ohne Totenschein aber können Hinterbliebene keine Mietverträge kündigen, nicht auf Konten zugreifen, ihr Erbe nicht beantragen. „Das muss meiner Ansicht nach schneller geschehen, zumal nach meinen Informationen alle Passagiere anhand von DNA identifiziert werden konnten.“
Die Rückführung der Toten wird angesichts von mehr als 2000 Leichenteilen eine Herausforderung werden. Aber auch daran müsse im Interesse der Hinterbliebenen mit Hochdruck gearbeitet werden, fordert Anwalt Wellens.