Jetzt oder nie: Die „Grosse“ geht in ihre letzte Woche
Kunst ist, wenn man darüber diskutiert. Zehn Menschen, in der Mitte ein Werk von Christina Böckler: Ein Kasten mit Sofakissen, Fransenteppich, Stickerei, Fernseh-Testbild, rosarotem Spielzeugschloss, alten Fotos, eins mit Hund Bully, andere Aufnahmen zeigen Paare Hand in Hand. Die Besuchergruppe staunt. Worum geht es? „Müll“, sagt eine Dame. Falsch. Die Dame guckt betreten.
„Eine Collage“, überlegt eine zweite, „aus häuslichem Leben“, ergänzt ein Mann, „das sind alles Dinge aus der Nachkriegszeit.“ Und schon ist man mitten in einer Debatte, die andauert, bis man beim Wirtschaftswunder landet, das Christina Böckler mit liebenswertem Spott karikiert. Es sind eben auch sperrige Arbeiten wie diese, die „Die Grosse Kunstausstellung NRW“ zum Erlebnis machen. Wer noch nicht da war, hat noch bis 29. März im Museum Kunstpalast die Gelegenheit, inklusive Führungen, Performances und Künstlerbegegnungen.
Viel mehr zu entdecken als nur schräge "Aha-Momente"
Besucher erwarten dabei aber beileibe nicht nur schräge Aha-Momente, wie sie Böcklers rätselhaftes Objekt namens „Mithilfe der Paarung die körperhaften Pausen des Schweigens umtasten“ beschert. Hier macht es die Mischung. Rund 130 Künstler jeden Jahrgangs versammelt „Die Grosse“, geschätzte 300 Bilder, Skulpturen, Zeichnungen, Fotografien, Filme und Installationen hat die Künstler-Jury ausgewählt, darunter Frischlinge und alte Hasen, neue Ein- und bewährte Ansichten, etwa die des Düsseldorfer Fotografen Walter Vogel, der das Bochumer Opelwerk 1965 festhielt: eine Kadett-Montage, Titel: „Der Anfang vom Ende“.
Es gibt also viel zu entdecken: Die Videokünstlerin Myriam Thyes, in Luxemburg geborene Wahl-Düsseldorferin, mit schrägen Stadt-Ansichten. Den Maler Thomas Schiela, dessen großes Aquarell „Las Vegas“, ein Blick in die gut besuchte Anonymität einer Bar, an Bilder von Edward Hopper erinnert.
Von ehrlichen Skulpturen und falschen Idyllen
Die elegant verbauten Tonfiguren der Bildhauerin Carol Pilars de Pilar. Die ehrlichen Skulpturen Axel Vaters und falsche Idyllen, wie sie Martin Koroscha schuf. Er hielt tote bunte Acryl-Landschaften fest, die poetisch wirken, einen aber gleichzeitig das Gruseln lehren. Unterwegs freut man sich über ein Wiedersehen mit Otto Piene, dem im vorigen Jahr verstorbenen Düsseldorfer Zero-Urgestein. Skeptisch schaut der Mann mit dem weißen Bart in die Kamera des Fotografen Benjamin Katz.
Felix Droese: "Die heile Welt der Dummen"
Felix Droese, der Politische, von der „Grossen“ zum Träger des Kunstpreises 2015 gekürt, lässt auf seinem Schattenschnitt „Die heile Welt der Dummen“ ein Kamel vor zwei Ölfässern in die Knie gehen. Es schleppt Symbole der Weltreligionen – Kreuz, Krummsäbel und Menora. Mit Tanz und Performance schließlich beschäftigt sich Förderpreisträger David Pollmann. Hier stellt er eine Installation aus Alufiguren, Langhaarperücke und pustendem Ventilator zur Schau. Fazit: Kunst muss man nicht verstehen. Es reicht, sie zu empfinden, sei es durch kühle Luft am Hinterkopf.
Öffnungszeiten und Preise
Museum Kunstpalast, Ehrenhof 4-5, Di – So 11-18 Uhr, Do 11 – 21 Uhr. Eintritt acht Euro (ermäßigt fünf Euro), Katalog 18 Euro, Infos www.diegrosse.de.
David Pollmann: Tanz und Performance
Fotos: Manos Meisen, Anne-Lena Michel, Museum Kunstpalast