„Dramatischer Sanierungsstau“: Bis 2020 sollen vier Schwimmbäder neu gebaut werden
Nach jahrelangem Stillstand fallen nun die Kacheln von den Wänden: Die Düsseldorfer Schwimmbäder müssen von Grund auf saniert werden. Mit dem Bäderkonzept 2020 hat Oberbürgermeister Thomas Geisel, SPD, dazu am Freitag (6. März) den Generalauftrag erteilt. Vier von 13 Standorten haben oberste Priorität: Oberkassel, Flingern, Benrath und Unterrath; wenn es nach der Verwaltung geht: genau in dieser Reihenfolge. Allein diese vier Projekte werden – geschätzt – mehr als 65 Millionen Euro kosten. Den ersten Köpper in ein neues Bad wird nicht vor 2019 geben. Eher später.
Geisel spricht von „einem dramatischen Sanierungsstau“. Es sei höchste Zeit, die Düsseldorfer Bäderlandschaft für den Freizeit-, Schul- und Vereinssport und für alle Erholungssuchenden zu erneuern. Das wird die Nerven der Handelnden ebenso belasten wie den städtischen Haushalt. Etwa ein Drittel der notwendigen Summe für die marodesten vier Bäder soll durch Grundstückverkäufe gegenfinanziert werden. Bleibt in den nächsten fünf Jahren immer noch eine Summe von 45Millionen Euro, vielleicht auch mehr, die im Haushalt der Stadt untergebracht werden muss.
Bäderchef Roland Kettler trägt vor, Oberbürgermeister Geisel und Sportdezernent Hintzsche lauschen
Bäderchef Roland Kettler war in der Pressekonferenz anzumerken, dass er am liebsten gar keine Zeitpläne genannt hätte. Gerade erlebt er in Niederheid, wie ein Öffnungstermin immer wieder verschoben werden muss, weil sich ständig neue Probleme auftun. Mit der Wiederöffnung zu Ostern wird es nichts. Neues Datum: 1. Juli – zu Beginn der Sommerferien – vielleicht.
Ein Bad neu zu planen, dauert zwölf Monate, sagt Bäderchef Kettler, der anschließende Bau 18 bis 24 Monate. So kommen die vier dringendsten Bäderprojekte zu ihren extrem grob geschätzten Fertigstellungsterminen.
Und so soll es im Einzelnen aussehen:
Erstens: Oberkassel – Eröffnung: 1. Quartal 2019
Seit fünf Jahrzehnten wurde dort gebadet. Bis der Statiker Alarm schlug und die Becken am 6. Februar über Nacht für die Öffentlichkeit gesperrt wurden. Das Bad soll komplett neu gebaut werden mit einem 25 Meter Becken und einem Übungsbecken nach Vorbild des Bilker Bades. Vielleicht lassen sich Wohnungen integrieren. Geschätzte Kosten 11 Millionen Euro.
Zweitens: Flingern – Eröffnung: 2. oder 3. Quartal 2019
Die Mittelscheibe ist zerschlagen: marodes Kassenhaus am Bad in Flingern
Hier soll ein multifunktionales Hallenbad neu entstehen – als Schul- und Sportbad. Die Außenflächen mit dem 50-Meter-Becken müssen ebenfalls saniert werden. Die Wasserfläche sei in Flingern doppelt so groß wie bei den anderen Bädern. Deshalb werden knapp 18 Millionen Euro veranschlagt. Plus 3,2 Millionen Euro für die Sanierung des Freibades.
Drittens: Benrath – Eröffnung: 1. Hälfte 2020
Stammt aus den 1950er Jahren: das Benrather Hallenbad
Das jetzige Bad entstand in den 1950er Jahren. Es soll komplett abgerissen, dieser Grundstücksteil an Häuslebauer verkauft werden. Ein neues Hallenbad soll auf dem Gelände des heutige Freibades entstehen – mit einer Ausrichtung als Gesundheits- und Familienbad – Sportler sollen nach Niederheid verwiesen werden. Geschätzte Kosten: 22,7 Millionen Euro.
Viertens: Unterrath – Eröffnung: 2. Hälfte 2020
Ein kompletter Neubau soll das marode Bad aus den 1960er-Jahren ersetzen. Das Bad in Bilk samt Bibliothek und Bürgersaal könnte als Vorbild dienen. Kosten: 11 Millionen Euro.
Den Preis für den schnellsten Diskussionsbeitrag zum Bäderkonzept erschwomm sich am Freitag die FDP-Politikerin und ehemalige Vorsitzende des Sportausschusses, Monika Lehmhaus. Sie will die Reihenfolge beim Bäderbau drehen: Flingern soll einen Zeltüberbau über die Freibadbecken bekommen und bis zum Schluss zurückgestellt werden. Einen entsprechenden Prüfungsantrag hat Lehmhaus für den nächsten Sportausschuss bereits vorbereitet. Einen auch auf Bäder spezialisierten Zeltlieferant aus den Niederlanden hat sie per Internet-Recherche gefunden. „Die Menschen in Unterrath und Benrath sind dringender auf Bäder angewiesen. Denn in Flingern kann man jederzeit in den Düsselstrand gehen.“
Zweiter Hinweis der FDP-Sportsfrau: Bädergesellschaft, Vereine und Schulen müssten ihr Schwimmkursprogramm zusammenstreichen. „Vor allem, wenn jetzt noch mehr Bäder wegfallen, bleibt für freie Schwimmer überhaupt kein Platz mehr übrig“, kritisiert Lehmhaus. In den kommenden fünf Jahren müssten eben alle zusammenrücken und Abstriche machen.
Kommentar
Nun fallen die Kacheln einzeln ab – vom Lügengebäude „Schuldenfreiheit“
Erinnern Sie sich noch? Jahrelang zog die CDU-Prozession durch das von ihr regierte Düsseldorf. An einer goldenen Stange hielten sie ein Sparschwein als Monstranz empor. Und aus alten Pfennigen hatten sich die Oberbürgermeister Erwin und Elbers Gebetskettchen gebastelt. Dumpf murmelten sie „Schuldenfreiheit, Schuldenfreiheit“, während sie die Mini-Münzen der Reihe durch ihre Finger gleiten ließen, aber am Ende immer hübsch festhielten.
Nun fallen die Kacheln einzeln von diesem Lügengebäude ab. Hier wurde öffentliche Infrastruktur mutwillig kaputt gespart. Zusammenkehren dürfen jetzt andere den riesigen Scherbenhaufen. Da ist Oberbürgermeister Thomas Geisel nicht drum zu beneiden. Allerdings macht er gleich zu Beginn der Bäder-Sisyphos-Arbeit einen verhängnisvollen Fehler.
Bäderchef Roland Kettler mit dem Bäderkonzept 2020 zu betrauen, ist keine gute Idee. Schon 2011 hat die Gesellschaft beschlossen, nicht mehr in marode Bäder zu investieren. Wieso wurden die vier Jahre seither nicht genutzt, um Ideen für die Zukunft zu entwickeln? Das konnte am Freitag niemand beantworten. Kettler mag ein guter Ingenieur sein; aber er hat den Sanierungsstau mitverursacht. Deshalb sollte er jetzt nicht dessen Beseitigung als Aufgabe bekommen. Dirk Neubauer