Wie entsteht der Hass auf Fremde? Eine Studie gibt Antworten
Kann ein ganzes Volk lügen? Die Frage stellt sich spontan auf Seite 44 der Studie „Fragile Mitte – feindselige Zustände“. Da malt die Kurve der Ausländerfeindlichkeit von 2012 zu 2014 den größten Rückgang. 2012 lag der Wert in der repräsentativen Befragung bei 25,1 Prozent Ausländerfeinden in Deutschland. 2014 blieben angeblich nur 7,5 Prozent bei ihrem Hass auf alles Fremde. Gerade so, als gebe es weder die Pegida, noch die Alternative für Deutschland, Afd, oder die abgrundtiefe Ablehnung der Flüchtlinge im Container nebenan.
Urheber der Studie zu rechtsextremen Einstellungen ist die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung. Herausgeber Ralf Melzer warnte am Donnerstagabend (26.2.) im Haus der Kirchen, eindringlich davor, den Rückgang bei rechtsextremer Gesinnung und Ausländerfeindlichkeit in Deutschland mit einem Signal der Entwarnung zu beantworten: „Festzustellen ist einerseits eine Verlagerung hin zu subtileren Formen der Herabsetzung anderer.“ Ein Beispielsatz für modernes Herrenmenschentum zur Erläuterung: „Wer schon länger hier lebt, sollte ganz einfach mehr Rechte haben.“ Andererseits gibt es eine alarmierend steigende Gewaltbereitschaft und eine zunehmende Polarisierung. Die Deutschen sind entweder klar pro oder eindeutig contra und laufen Gefahr, nicht nur die Lust, sondern auch die Fähigkeit an der Diskussion mit denen zu verlieren, die anderer Meinung sind. Am Ende werde die Demokratie als System in Frage gestellt.
"Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit": "Die werfen Müll aus dem Fenster"
Ein komplexes Themenfeld, in das der Düsseldorfer Appell seinen Pflug schlug. Einlader Volker Neupert war so ehrlich zuzugeben, dass das Thema zwischen der ersten Anfrage und der Veranstaltung mit rund 50 Zuhörern deutlich an Brisanz gewonnen habe. Dabei geht es nicht bloß um die Schreihälse montags oder mittwochs, die den Untergang des Abendlandes beschwören. Es geht auch um die Aufnahme von Asylbewerbern und Flüchtlingen in Düsseldorf; um eigentlich gut situierte Bürger, die „die da“ nicht in ihrer Nachbarschaft haben wollen. Weil sie angeblich all ihren Müll aus dem Fenster werfen und im Supermarkt die Warteschlangen an den Kassen verstopfen, weil sie Lebensmittel einkaufen…
Auf der Suche nach den Bruchstellen der Gesellschaft hat die Friedrich-Ebert-Stiftungen die Antworten von 1915 telefonisch befragten Menschen ausgewertet. Davon kamen 385 aus Ostdeutschland – ein Fünftel. Im Kern ist der Fragebogen seit 2006 immer derselbe – um die Ergebnisse miteinander vergleichen zu können. Manches hat sich aber auch geändert. Früher wurde von Angesicht zu Angesicht interviewt, jetzt wird telefoniert. Statt dem klassischen Nazi, nach dem weiterhin gefahndet wird, geht es jetzt auch um „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“. Also der gezielten Ausgrenzung von Langzeitarbeitslosen, Hartz IV-Empfängern, Homosexuellen – von verfolgten Minderheiten. Immer gern genommen, weil so bequem und wunderbar stark machend: Eine Gruppe setzt eine andere bewusst herab.
Jeder Zweite lehnt Langzeitarbeitslose ab
Wer danach fragt, kriegt auch im Jahr 2014 Antworten, die alarmieren. Langzeitarbeitslose werden laut der Studie von 47,8 Prozent der Gesellschaft abgelehnt; asylsuchende Menschen von 44,3 Prozent, Sinti und Roma von 26,6 Prozent, Homosexuelle von 11,8 Prozent. Hinzu kommen die Ängste, den Job – und damit den Lebensstandard zu verlieren. Das ist beonders ausgeprägt bei AfDlern. Dazu das Gefühl, von den Mächtigen abgekoppelt zu werden, von Globalisierung, Europäischer Union und Turbokapitalismus schlicht überfordert zu werden, ausgesaugt und weggeschmissen zu werden. Keinen Einfluss, keine Mitsprache zu haben. Voila – fertig sind Mr. und Mrs. Pegida.
„Genau hier war Pegida in Dresden das Ventil für viele, ihren Frust zu zeigen“, erläuterte Pelzer. Wenn dort ebenso wie in Düsseldorf die Demonstrationen verschwänden, sei das kein Grund zur Erleichterung. Menschenfeinde bleiben eine Herausforderung, solange es Menschen gibt.
Mehr Details unter www.fes-gegen-rechtsextremismus.de/pdf_14/141120presse-handout.pdf