Grüne contra Rechtsextreme: Wenn ein Junge nicht zu seinem Schulfreund darf
Montags darf Orkan, der türkische Junge mit deutschem Pass, nicht zu seinem Freund Christopher. Seit einigen Wochen hat seine Mutter Angst, dass Orkan auf dem Weg dorthin etwas Schlimmes zustößt. Denn sein Freund Christopher wohnt an der Demonstrationsstrecke der rechtsextremen Dügida, Mitten in Düsseldorf.
„Was wird aus mir, was wird aus meinen Kindern?“ fragte die Muslimin am Mittwochabend (4.2.) im Bürgersaal Bilk. Für sie und ihre Familie hat sich das Lebensgefühl längst grundlegend verändert – durch die ultrarechten Schreihälse und Schläger. Düsseldorf ist dabei, sein tolerantes, weltoffenes Gesicht zu verlieren. Orkans Mutter redete Klartext: „Ich kann zu Not in die Türkei zurückkehren, obwohl das für mich ein völlig fremdes Land ist, in dem ich Urlaub mache. Mein Sohn ist in Deutschland geboren und hier aufgewachsen.“
Der kundige Blick ist wichtig
Rund 60 Grüne in der der offenen Mitgliederversammlung schluckten. Bis zu dieser Frage hatte Professor Dr. Fabian Virchow, Leiter des Forschungsschwerpunkts Rechtsextremismus/Neonazismus an der Fachhochschule Düsseldorf Zahlen analysiert, Studien beleuchtet, Fakten aufgezählt. Genau dafür hatten ihn die Grünen eingeladen: Pegida und Dügida zu erklären, die Hintergründe zu erhellen. Eben dieser nüchterne, kundige Blick ist so wichtig, wenn die Grünen es schaffen wollen, dass eine Familie wie die von Orkan glücklich in Düsseldorf leben kann.
Die Ultrarechte verliert Anhänger
Dieses Ziel ist weit entfernt. Natürlich verliert die rechtsextreme Dügida mit jedem Montag Zulauf. 70 von ursprünglich 300 Unverbesserlichen waren am vergangenen Montag unterwegs. Sie kamen aus Mönchengladbach, Dortmund, Dorsten – allen möglichen Städten – auf der Suche nach Gefolgschaft und Erfolgserlebnissen. Darf man, soll man sie ziehen lassen? Im Zentrum? Düsseldorfs Mitte lahm legen? Das Demonstrationsrecht ist etwas, für das Grüne gestritten haben in der Anti-Atom- und der Friedensbewegung. „Ich möchte, dass auch die demonstrieren dürfen – auch wenn mir nicht gefällt, warum sie auf die Straße gehen“, sagte eine Grüne. Ein anderer sagte: „Sie sollen nicht irgendwo in Randgebieten auf die Straße gehen, sondern gerade in der Mitte der Stadt.“ Denn dann müssen sich alle der Herausforderung stellen, und können sie nicht noch mehr verdrängen, als dass in Düsseldorf ohnehin bereits geschieht.
Professor Fabian Virchow stellte Umfragen vor – zunächst zur Pegida in Dresden. Dort erfüllte sich der Traum der seit Jahrzehnten erfolglosen Rechtsextremen – und aus einer Demo von 300 wurde innerhalb von drei Monaten ein Marsch von 25.000. Seit sich die Organisatoren zerstritten haben, zerbröselt das. Virchow gab anhand von Umfragen und Studien einen Überblick darüber, wer da aufmarschiert. Zu 80, 85 Prozent Menschen aus Dresden und Sachsen. Etwa zehn Prozent aus Ostdeutschland. Vier bis sechs Prozent aus Westdeutschland.
Misstrauen gegen etablierte Parteien
Mehr als die Hälfte der Pegida-Teilnehmer in Dresden gab bei Befragungen an, sie vertraue keiner etablierten Partei: 53,9 Prozent. Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, würden 57,5 Prozent ihr Kreuz bei der AfD machen, wenn sie denn in ein Wahllokal gingen. Zugleich sagen viele Befragte, sich von keiner Partei vertreten zu fühlen und nicht mehr zur Wahl gehen.
Laut Professor Fabian Virchow versucht die Ultrarechte daraus den nächsten Köder zu schnitzen. „Mehr direkte Demokratie!“ werde das Schlagwort lauten. Und auch das rüttelt an Grünen Grundwerten, denn das wollen sie ja eigentlich auch. Wie also dem Bürger die so wichtigen Unterschiede deutlich machen? „Man muss genau hinschauen, was sich diese Kräfte unter ‚Volksabstimmungen‘ vorstellen“, sagte Professor Virchow. Meist werde auf die Schweiz verwiesen, wo in wichtigen Fragen die Bevölkerung abstimme. Einher gehe der Ruf nach „mehr direkter Demokratie“ aber mit einer Entmachtung der Parlamente und der Stärkung eines Präsidenten. Eines Führers…
Gibt es Hoffnung, weil Pegida/Dügida deutlich an Zulauf verlieren? Hier warnte Professor Dr. Fabian Virchow: „Wenn die Demonstrationen verschwinden – und das wird schon bald der Fall sein – bedeutet das nicht, dass der Nährboden hierfür nicht mehr da ist.“
"Mit Multikultin und Toleranzol"
Am Ende eines sehr informativen grünen Abends in Bilk stand eine Ankündigung: Wenn die Ultrarechten am nächsten Montag wieder durch Düsseldorf ziehen, werden die Grünen an genervte Autofahrer „Pegidatox“ ausgeben. Ein „Breitbandpräparat gegen Rechtsextreme mit Multikultin und Toleranzol“. Über rechtsradikale Blödmänner und –frauen herzhaft zu lachen – ist eine gute Idee.
Matthias Sprekelmeyer von den Grünen hat das Gegenmittel gegen Ultrarechte.